Die Apologeten der sogenannten Gendergerechten oder Geschlechtergerechten Sprache versuchen oft, die bestehende Sprache als fraglos ungerecht darzustellen. Diese politische Unterstellung muss aber thematisiert werden. Man kann nicht so tun, als gäbe es diese Bestrebungen nicht, als sei das keine politisch motivierte Kampagne, die sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen zuwiderläuft.
Man muss ja erklären, wieso die Leute in ihrem Alltag dieser Manipulation so oft begegnen.
Die Fehleinschätzung ist ja auch keine Randerscheinung.
Man kann die Leser nur mit den Argumenten pro und kontra konfrontieren, und diese sich ihre eigene Meinung bilden lassen.
Es beginnt ja schon mit dem Begriff Gendergerechte Sprache. Gerechtigkeit gegenüber Artikeln und Personalpronomen will man hoffentlich noch nicht walten lassen, also bezieht sich Gender auf den soziologischen Begriff.
Dieser meint, in Abgrenzung zu Geschlecht, die Geschlechtsrolle. Dahinter steht die Vermutung, dass sich das biologische Geschlecht von der Rolle analytisch trennen ließe. *
So gesehen ist die überlieferte Sprache also nicht ungerecht gegen Personen, die biologisch Frauen sind, sondern gegen Personen, die die Frauenrolle, besser gesagt eine Frauenrolle verkörpern, ausfüllen, sich mit einer solchen identifizieren.
Zu 99% sehen sich ja biologische Frauen selbst als Frauen und umgekehrt dürften 99% derer, die als Frauen gesehen werden, auch biologisch gesehen solche sein. Das macht es schon schwierig, Definitives über die Ausnahmen zusammenzutragen.
Wenn die Frauenrolle darin bestünde, unterdrückt zu sein, dann wäre eine geschlechtsrollengerechte Sprache ja eine, die diese Unterdrückung zementiert. Feministinnen müssten dann die letzten sein, die sich für eine solche Sprache einsetzen. Feministinnen würden sich ja gerade nicht mit ihrer Rolle identifizieren.
Aber die intensive Beschäftigung mit dem Thema ist den meisten zu anstrengend und so fast man rasch eine Meinung, die Meinung der persönlich Peergroup, oh Wunder, und gibt sich mit der nächstbesten Erklärung zufrieden.
Wer sich mit dem Thema nicht tiefer befassen will, der soll diese Diskussionen eben meiden. Aber anderen vorzuschreiben, dass das Thema tabu zu sein hat, ist ein Rückfall in die Vormoderne.
Dass das Thema umstritten ist und von Emotionen begleitet, liegt am Thema und der gesellschaftlichen Realität. Wem's in der Küche zu heiß ist, der soll eben draußen bleiben.
Dieser Vorstoß hier riecht mir sehr danach, unter dem Deckmantel der Neutralität die Realität zu leugnen, wie bei den Kreationisten, die ihre Auffassung von der Schöpfung als legitime Alternative zur Evolution verbreitet sehen wollen.
Die Wahrheit verträgt keine Aufpasser.
*) Natürlich gibt es soziale Rollen. Man muss kein Ethnologe oder Geschichtswissenschaftler sein, um zu sehen, dass sich Männer und Frauen im Ausland anders kleiden als hierzulande, und dass es auch hierzulande vor 20, 50, 500 Jahren anders aussah, was etwa die Kleidung betrifft, die Berufswahl, das Verhalten. Wovon Ethnologen aber noch nicht berichtet haben, das sind Gesellschaften ohne Geschlechtsrollen.
Umgekehrt sieht man aber, dass Sprachen ohne grammatikalisches Geschlecht oder eine solche, die fast ohne ein solches auskommt, wie das Englische, überhaupt keinen Einfluss auf die Rollenausgestaltung hat. Ein Deutschmuttersprachler hat in den USA keine Schwierigkeiten, die dortigen Rollenmuster und Geschlechtsverhältnisse zu begreifen und umgekehrt stolpern Engländer in Deutschland nur über die Sprache aber auch nicht über die Geschlechterverhältnisse.
Die Idee, mit einer Sprachreform etwas fundamental zu verändern, ist also empirisch schlecht aufrechtzuerhalten. Dahinter steckt der alte Wunschglauben, mit magischen Zauberformeln die Welt zu bannen und Dreck in Gold verwandeln zu können.